Nein zur Chatkontrolle

Die unabhängigen Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern haben in einer gemeinsamen Erklärung die Bundesregierung aufgefordert, den geplanten EU-Verordnungsentwurf zur sogenannten Chatkontrolle klar abzulehnen. Hintergrund ist der Vorstoß der Europäischen Kommission, Kommunikationsdienste wie WhatsApp, Signal oder iMessage zu verpflichten, Inhalte privater Nachrichten automatisiert auf Hinweise zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder zu durchsuchen. Die Datenschutzkonferenz (DSK) kritisiert dieses Vorhaben als massiven Eingriff in die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger, da durch die sogenannte Client-Side-Scanning-Technologie sämtliche Kommunikation schon vor der Verschlüsselung überprüft würde. Damit würde das Prinzip der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung faktisch ausgehebelt, da die Inhalte der Nachrichten vor dem Absenden analysiert werden. Dies käme einer anlasslosen und flächendeckenden Überwachung gleich und stelle eine unverhältnismäßige Verarbeitung personenbezogener Daten dar.

Die DSK betont ausdrücklich, dass der Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch ein zentrales gesellschaftliches Ziel sei. Dieses Ziel dürfe jedoch nicht auf Kosten der Privatsphäre, des Fernmeldegeheimnisses und der Datensicherheit erreicht werden. Die geplante Chatkontrolle würde die Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme gefährden, da das Einbauen technischer Hintertüren die gesamte Kommunikationssicherheit schwächt und auch von Kriminellen ausgenutzt werden könnte. Die Datenschutzbehörden warnen zudem davor, dass die Pläne gegen elementare Datenschutzprinzipien der DSGVO verstoßen, insbesondere gegen den Grundsatz der Zweckbindung (Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO), der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO) und der Verhältnismäßigkeit. Eine anlasslose Massenprüfung sämtlicher Kommunikationsinhalte sei mit diesen Grundsätzen unvereinbar, da sie weder erforderlich noch geeignet sei, die angestrebten Ziele mit verhältnismäßigen Mitteln zu erreichen.

Darüber hinaus sieht die DSK einen Konflikt mit dem Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, wie es das Bundesverfassungsgericht bereits im Urteil vom 27. Februar 2008 (1 BvR 370/07) festgestellt hat. Eingriffe in diesen Bereich sind nur bei konkretem Verdacht und unter enger richterlicher Kontrolle zulässig. Die Einführung einer Chatkontrolle würde jedoch sämtliche Nutzerinnen und Nutzer unter Generalverdacht stellen und das Vertrauen in sichere digitale Kommunikation nachhaltig erschüttern. Nach Auffassung der Datenschutzaufsichtsbehörden verletzt ein solcher Ansatz das Prinzip der Datensparsamkeit ebenso wie die Vorgaben des Art. 32 DSGVO, der Verantwortliche verpflichtet, geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten zu ergreifen – wozu insbesondere die starke Verschlüsselung gehört.

Die Datenschutzkonferenz fordert die Bundesregierung daher auf, in den laufenden Verhandlungen auf EU-Ebene klar Position zu beziehen und sich gegen eine Chatkontrolle in jeglicher Form auszusprechen. Statt Überwachung und Generalverdacht bedarf es einer gezielten Strafverfolgung, die sich auf konkrete Verdachtsmomente stützt und mit rechtsstaatlichen Mitteln erfolgt. Zugleich betonen die Aufsichtsbehörden, dass die Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern und der Schutz digitaler Privatsphäre keine Gegensätze sein dürfen, sondern durch intelligente technische Lösungen, Prävention und verbesserte Ermittlungsstrukturen gemeinsam erreicht werden können.

Diese Positionierung der DSK verdeutlicht einmal mehr, dass der Datenschutz nicht als Hemmnis, sondern als Garant für Freiheit, Sicherheit und Vertrauen in die digitale Kommunikation verstanden werden muss. Der Entwurf der EU-Verordnung zur Chatkontrolle gefährdet diese Grundpfeiler, indem er das Verhältnis zwischen Bürger und Staat auf den Kopf stellt. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Bundesregierung dieser klaren Empfehlung folgt und sich im Rat der Europäischen Union unmissverständlich gegen die Einführung einer Chatkontrolle ausspricht.

Quelle:

Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Kurzmeldung vom 8. Oktober 2025, „Datenschutzbeauftragte fordern Nein der Bundesregierung zur Chatkontrolle“, abrufbar unter www.bfdi.bund.de.