Datenschutz beim internen „Frühstücks-TV“: Kamera an oder lieber aus?

Immer mehr Unternehmen nutzen interne Online-Formate, um Wissen zu teilen oder Kolleginnen und Kollegen zu informieren – etwa in Form eines wöchentlichen „Frühstücks-TV“. Dabei werden kurze Videokonferenzen aufgezeichnet und später im Intranet zur Verfügung gestellt. Häufig stellt sich die Frage, ob Mitarbeitende verpflichtet werden dürfen, ihre Kameras einzuschalten, und welche datenschutzrechtlichen Anforderungen bei Aufzeichnungen zu beachten sind.

1. Kameraaktivierung – nur freiwillig zulässig

Die Aktivierung einer Kamera in Videokonferenzen führt zwangsläufig zur Verarbeitung personenbezogener Daten, insbesondere von Bild- und Rauminformationen. Dies fällt unter Art. 4 Nr. 1 und 2 DSGVO.

Nach Art. 88 DSGVO in Verbindung mit § 26 Abs. 1 BDSG ist eine Verarbeitung im Beschäftigungsverhältnis nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um das Arbeitsverhältnis durchzuführen. Ein bloßes Interesse des Arbeitgebers, die Anwesenheit oder Aufmerksamkeit der Beschäftigten zu überprüfen, genügt dafür nicht.

Das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 23.08.2022 – 6 Sa 1060/20) hat hierzu entschieden, dass eine Pflicht zur Kameraeinschaltung unzulässig ist, weil sie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift und nicht erforderlich ist, um die Arbeitsleistung zu erbringen. Auch mehrere Aufsichtsbehörden, darunter der LfDI Baden-Württemberg, vertreten diese Auffassung.

Fazit:
Eine verpflichtende Kameraaktivierung ist datenschutzrechtlich nicht zulässig. Eine freiwillige Zuschaltung ist erlaubt – die Freiwilligkeit sollte aber ausdrücklich betont werden, um Zwang oder sozialen Druck zu vermeiden.

2. Aufzeichnung nur mit klarer Rechtsgrundlage

Sobald Videokonferenzen aufgezeichnet werden, liegt eine Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO vor. Dafür ist eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO erforderlich.

Im Beschäftigungskontext kann dies auf § 26 Abs. 1 BDSG gestützt werden, wenn die Aufzeichnung erforderlich ist – etwa zur Dokumentation von Schulungsinhalten oder internen Fortbildungen. Häufig ist die Aufzeichnung aber eher ein Komfort-Feature, um die Veranstaltung später ansehen zu können. In diesem Fall kann allenfalls Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO (berechtigtes Interesse) herangezogen werden.

Dabei müssen die Grundsätze des Art. 5 DSGVO (Zweckbindung, Datenminimierung, Speicherbegrenzung) gewahrt bleiben. Das bedeutet:

  • Der Zweck muss klar benannt und dokumentiert sein (z. B. „interne Wissensvermittlung“).
  • Die Aufzeichnung sollte zeitlich begrenzt aufbewahrt werden.
  • Eine Veröffentlichung im Intranet ist nur für den vorgesehenen Kreis zulässig.

Die Datenschutzkonferenz (DSK) betont in ihrer Orientierungshilfe Videokonferenzsysteme (2021), dass Aufzeichnungen nur bei nachgewiesener Erforderlichkeit und nach vorheriger Information aller Teilnehmenden erfolgen dürfen.

3. Informationspflicht nach Art. 13 DSGVO

Vor Beginn der Aufzeichnung ist ein Datenschutzhinweis zwingend erforderlich.
Die Berliner Beauftragte für Datenschutz wies in ihrem Tätigkeitsbericht 2021 darauf hin, dass ein bloßer mündlicher Hinweis („Wir zeichnen jetzt auf“) nicht ausreicht.

Der Hinweis muss mindestens enthalten:

  • Verantwortlicher und Kontaktdaten,
  • Zweck der Aufzeichnung,
  • Rechtsgrundlage,
  • Empfängerkreis,
  • Speicherdauer,
  • Rechte der Betroffenen (Art. 15-22 DSGVO).

Dieser Hinweis kann etwa in der Einladung zur Veranstaltung oder im Intranet bereitgestellt werden.

4. Löschungsrecht beim Austritt eines Mitarbeiters

Gemäß Art. 17 DSGVO haben betroffene Personen das Recht auf Löschung ihrer personenbezogenen Daten, sobald der Zweck der Verarbeitung entfällt. Verlässt ein Mitarbeiter das Unternehmen, besteht dieser Zweck häufig nicht mehr.

Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 14.09.2021 – 4 Sa 290/21) stellte fest, dass die Aufbewahrung von Videoaufzeichnungen, in denen ehemalige Beschäftigte identifizierbar sind, nicht mehr erforderlich ist und daher ein Löschungsanspruch besteht.
Sind die Personen in der Aufzeichnung jedoch nicht erkennbar (z. B. Kamera aus, kein Name sichtbar), besteht kein Personenbezug und somit auch kein Anspruch.

5. Verhältnis zu Persönlichkeitsrechten

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 27.07.2017 – 2 AZR 681/16) hat klargestellt, dass Videoaufnahmen von Beschäftigten grundsätzlich in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingreifen.
Solche Maßnahmen sind nur dann zulässig, wenn sie erforderlich und verhältnismäßig sind. Eine Kontrolle der Arbeitsdisziplin oder Anwesenheit rechtfertigt den Eingriff nicht.

6. Empfehlung für die Praxis

Unternehmen sollten den Umgang mit Videoformaten und Aufzeichnungen in einer internen Richtlinie oder im Datenschutzkonzept festhalten. Darin sollten Zweck, Zuständigkeiten, Speicherdauer und Hinweisverfahren dokumentiert sein.

Ein kurzer Hinweis vor Beginn des Meetings ist sinnvoll, ersetzt aber nicht den formellen Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO. Empfehlenswert ist zudem, die Aufzeichnungen nach einer bestimmten Frist automatisiert zu löschen oder zu archivieren.

Musterhinweis (Beispiel für Einladungen):

„Diese Veranstaltung wird zu internen Informationszwecken aufgezeichnet. Mit der Teilnahme erklären Sie sich einverstanden, dass ggf. Bild- und Tonaufnahmen entstehen. Die Kameraaktivierung ist freiwillig. Die Aufzeichnung wird ausschließlich intern verwendet und nach [Zeitraum] gelöscht.“

7. Fazit

  • Eine Pflicht zur Kameraaktivierung ist unzulässig – nur freiwillig erlaubt.
  • Aufzeichnungen sind nur bei klar definiertem Zweck und Rechtsgrundlage zulässig.
  • Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO sind zwingend.
  • Beim Austritt von Mitarbeitenden besteht ein Anspruch auf Löschung, sofern diese identifizierbar sind.
  • Eine Dokumentation im Datenschutzkonzept oder ISMS-Handbuch ist empfehlenswert, um den Nachweis der DSGVO-Konformität (Art. 5 Abs. 2 DSGVO) zu gewährleisten.

Fachlicher Hinweis:
Dieser Beitrag berücksichtigt die aktuelle Rechtsprechung (Hess. LAG 2022; LAG Köln 2021; BAG 2017) sowie die Orientierungshilfen der Datenschutzkonferenz und der Aufsichtsbehörden (LfDI BW, BlnBfDI). Er kann direkt in das Datenschutzhandbuch oder ISMS-Dokumentationen integriert werden und entspricht den Anforderungen einer datenschutzkonformen internen Kommunikationspraxis nach DSGVO und BDSG.