Maßstab der gerichtlichen Überprüfung bei Datenschutzbeschwerden – Entscheidung des VG Saarlouis

Hintergrund: Das Beschwerderecht nach Art. 77 DSGVO

Gemäß Art. 77 DSGVO können betroffene Personen bei der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde Beschwerde einlegen, wenn sie der Ansicht sind, dass die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten gegen die DSGVO verstößt. Dieses Recht stellt ein zentrales Instrument zur Durchsetzung der Betroffenenrechte aus Kapitel III DSGVO dar. Doch was geschieht, wenn die Aufsichtsbehörde keine Maßnahmen ergreift und das Verfahren einstellt? In einem aktuellen Fall hatte das Verwaltungsgericht (VG) Saarlouis darüber zu befinden, nach welchem Maßstab eine solche Entscheidung gerichtlich überprüft werden kann.

Der Fall: Auskunftsersuchen und Einstellung durch die Aufsicht

Der Kläger hatte bei seinem früheren Arbeitgeber ein Auskunftsersuchen nach Art. 15 DSGVO gestellt, das unbeantwortet blieb. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, der alle „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung“ abgalt, jedoch keine datenschutzrechtlichen Ansprüche ausdrücklich erwähnte. Trotzdem stellte die zuständige Aufsichtsbehörde das auf seine Online-Beschwerde hin eingeleitete Verfahren ein und begründete dies damit, dass mit dem gerichtlichen Vergleich auch auf den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch verzichtet worden sei. Der Kläger erhob daraufhin Klage mit dem Ziel, die Behörde zur Fortführung des Verfahrens zu verpflichten.

Maßstab der gerichtlichen Kontrolle nach Art. 78 Abs. 1 DSGVO

Das VG Saarlouis stellte klar, dass Gerichte im Rahmen von Art. 78 Abs. 1 DSGVO nicht nur eine formale Prüfung durchführen dürfen. Vielmehr unterliegt die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einer inhaltlich vollständigen gerichtlichen Überprüfung, um dem Ziel der DSGVO – einem hohen Schutzniveau für personenbezogene Daten – gerecht zu werden. Allerdings ist die Behörde nicht verpflichtet, auf jede Beschwerde mit einer bestimmten Maßnahme zu reagieren. Vielmehr verfügt sie über ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl und Anwendung geeigneter Abhilfemaßnahmen. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich insoweit auf die Prüfung, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten hat oder das Ermessen zweckwidrig ausgeübt wurde (§ 114 Satz 1 VwGO analog).

Entscheidung des Gerichts: Kein Anspruch auf Fortführung des Verfahrens

Das VG Saarlouis wies die Klage ab. Es stellte fest, dass die Aufsichtsbehörde ihre Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen habe. Insbesondere sei der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch von dem arbeitsgerichtlichen Vergleich erfasst, da es dem Kläger grundsätzlich freistehe, auch auf Rechte aus der DSGVO zu verzichten – ähnlich wie bei einer datenschutzrechtlichen Einwilligung. Damit sei ein Fortführungsanspruch im Lichte von Art. 78 DSGVO nicht gegeben. Die Aufsichtsbehörde sei nicht verpflichtet gewesen, das Verfahren fortzusetzen.

Einordnung: Abgrenzung zur Entscheidung des VG Ansbach

Im Gegensatz zur Entscheidung des VG Saarlouis hatte das VG Ansbach in einem früheren Fall die Aufsichtsbehörde zur weiteren Prüfung verpflichtet, nachdem ein konkreter Datenschutzverstoß festgestellt worden war. Der Unterschied liegt in der prozessualen Ausgangslage: In Saarlouis wurde bereits das Bestehen des Auskunftsanspruchs verneint, womit sich die Frage nach Maßnahmen der Aufsichtsbehörde nicht mehr stellte. In Ansbach hingegen war der Datenschutzverstoß unstrittig, sodass über das Ob und Wie behördlichen Einschreitens zu entscheiden war. Das VG Saarlouis betont implizit die Unterscheidung zwischen Entschließungsermessen (ob die Behörde tätig wird) und Auswahlermessen (wie sie tätig wird) – ein Aspekt, der in der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle datenschutzrechtlicher Entscheidungen zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Fazit:

Das Urteil des VG Saarlouis verdeutlicht, dass das Beschwerderecht nach Art. 77 DSGVO zwar ein wirksames Instrument darstellt, die Entscheidung der Aufsichtsbehörde über das weitere Vorgehen jedoch einer gerichtlichen Ermessensprüfung unterliegt. Diese darf sich nicht auf eine bloße Verfahrenskontrolle beschränken, sondern muss die inhaltliche Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung prüfen. Gleichwohl bleibt der Behörde Gestaltungsspielraum bei der Bewertung und Behandlung der Beschwerde – insbesondere dann, wenn bereits materiell-rechtlich kein Anspruch mehr besteht.

Quellen:

  • Datenschutz-Grundverordnung (EU) 2016/679, Art. 15, 77, 78
  • Verwaltungsgericht Saarlouis, Urteil vom 2025 (genaues Aktenzeichen derzeit nicht veröffentlicht)
  • VG Ansbach, Urteil vom 28.10.2021 – AN 14 K 20.00272
  • § 114 Satz 1 VwGO